Band 1
"»Es gibt ja zwei Klassen von BĂŒchern, die uns umwerfen: die eine, weil sie so vollkommen ist in Sprache, Landschaft, wildem Ereignis, daĂ wir uns in ihnen auflösen: zu unserer eigenen bisherigen Existenz wird eine neue addiert! Die zweite Klasse: die so geschrieben ist, daĂ wir unwiderstehlich zur Lieferung unserer eigenen Substanz gezwungen werden, die uns zur Illustration herausfordert; zur Neuordnung und =Gruppierung unseres eigenen Bildervorrats.« Mit solch umwerfenden BĂŒchern hat sich der unermĂŒdliche Leser Schmidt zeitlebens befaĂt. Auf Anregung seines Freundes Alfred Andersch verfaĂte er seit 1955 fĂŒr das von Andersch verantwortete Radioprogramm des SĂŒddeutschen Rundfunks Essays zur Literatur. Orientiert an den eigenen Vorlieben, subjektiv, abhĂ€ngig von den eigenen poetologischen Vorstellungen, entstanden in einem guten Jahrzehnt aufregende Dialoge etwa ĂŒber FouquĂ©, Tieck, Herder, Wieland, ĂŒber Johann Gottfried Schnabel, den Verfasser der von Schmidt geschĂ€tzten Insel Felsenburg (1731-43), ĂŒber vergessene Kollegen des 18. und 19. Jahrhunderts wie Leopold Schefer, Barthold Heinrich Brockes oder Samuel Christian Pape. Er wandte sich auch der angelsĂ€chsischen Literatur zu von Cooper ĂŒber Poe bis hin zu Wilkie Collins und James Joyce - Autoren, die er spĂ€ter auch ĂŒbersetzt hat. Mit auĂergewöhnlichem Witz und hemmungsloser SchĂ€rfe verfolgte Schmidt zwei Ziele: einerseits unbekannte und verschollene Schriftsteller ans Licht zu heben und andererseits seiner Ansicht nach ĂŒberschĂ€tzte GröĂen von Klopstock bis Stifter vom Sockel zu stĂŒrzen. FĂŒr den Radioessay wĂ€hlte er, anders als fĂŒr seine groĂformatigen biographischen Studien, die Form des Ge-sprĂ€chs. In dessen Zentrum steht ein Hauptredner, der in Charakter und Temperament dem ĂŒberlegenen Ich-ErzĂ€hler in Schmidts Prosa nah verwandt scheint. GĂ€nzlich desinteressiert an den ĂŒberkommenen Methoden von Literaturwissenschaft und -geschichtsschreibung, schuf Schmidt ein prachtvolles Panoptikum der Poesie, das man unbedingt besichtigen sollte."